Ranavirus

Eine weitere Virusinfektion die Landschildkröten befallen kann ist die sogenannte Froschpest. Bereits 1914 wurde das Virus das zur Familie der Iridoviridae  (Viren mit dsDNA Genomen) gehört, beschrieben (Chatton & Blanc). Erst 1966 (Stehbens u. Johnson) wurde erkannt, dass es sich dabei nicht um Blutparasiten, sondern um virale Veränderungen handelt.
Zur
Familie der Iridoviridae gehören fünf Gattungen: Chloriridovirus, Iridovirus, Lymphocystivirus, Megalocytivirus und Ranavirus.

Zur Pathogenese der Iridoviren ist wenig bekannt. Sie scheint aber temperaturabhängig zu sein und das Virus daher von poikilothermen (wechselwarmen) Wirten abhängig zu sein. Das Genus Iridovirus das zunächst nur bei Insekten auftrat, wird seit einigen Jahren auch bei Reptilien nachgewiesen, es wurde hier im Zusammenhang mit Hautveränderungen nachgewiesen (Just et al. 2001, Marschang et al. 2002). Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Reptilien mit dem Iridovirus über davon befallenen Insekten infizieren liegt dabei nah. Wenn auch der Infektionsweg häufig nicht oral stattfindet. Hier geht man von Verletzungen der Schleimhaut als möglicher Pforte aus.

Das Genus Ranavirus wurde bei Schildkröten und Schlangen nachgewiesen. Es gibt nur einen Nachweis bei Echsen (Marschang et al. 2005).

Die Beschreibung der Iridoviren bei Schildkröten ist spärlich, nicht weil sie vielleicht selten ist, sondern weil der Nachweis meist erst am verendeten
Individuum mikrobiologisch nachgewisen wurde. So bei Testudo hermanni 1982. Wobei es hier erst als Appetitlosigkeit (Anorexie) diagnostiziert wurde.

Die ersten Iridoviren bei Schildkröten wiesen anhand der lichtmikroskopisch sichtbaren Einschlußkörperchen und mit Hilfe elektronenmikroskopischer Untersuchung Heldstab und Bestetti bei Testudo hermanni nach (1982).

In der pathologisch-histologischen Untersuchung fielen nekrotisierende Leberentzündung (Hepatitis), Milzentzündung (Splenitis) und eine Darmentzündung (Enteritis) auf.

Einige Jahre später entdeckten Müller et al. (1988) im Zusammenhang mit einem Massensterben bei einem Import von Testudo hermanni aus Jugoslawien Iridoviren. Die beobachteten Symptome umfaßten Bindehautentzündung (Konjuntivitis), Mundschleimhautentzündung (Stomatitis), Lungenentzündung ( Pneumonie) und Ödeme (Wasseransammlung im Gewebe).
Außerdem fanden sich in der pathologisch
histologischen Untersuchung wieder eine nekrotisierende Leberentzündung (Hepatitis) und Milzentzündung (Splenitis).

Die intrazytoplasmatisch
en Einschlußkörperchen konnten elektronenmikroskopisch als Iridoviren identifiziert werden.
Bei einer freilebenden
Gopherschildkröte mit dem typischen Bild der Upper Respiratory Tract Disease (Akute respiratorische Infektionen = akute Atemwegserkrankung durch Viren) konnten iridovirusbedingte Einschlußkörperchen festgestellt werden (Westhouse et al. 1996).

Marschang et
al. (1998) isolierten ein Iridovirus aus einer T. hermanni, das später molekularbiologisch als Ranavirus charakterisiert wurde.
Auch hier zeigten die betroffenen Schildkröten vor allem eine hochgradige Entzündungen der Mundschleimhaut  (Stomatitis), in der Sektion wurde noch zusätzlich eine Darmentzündung (Enteritis) entdeckt. Intrazytoplasmatische Einschlußkörperchen konnten in zahlreichen Organen gefunden werden.

Aus einer Weichschildkröte
(Trionyx sinensis) konnte ein Ranavirus isoliert und charakterisiert werden (Chen et al. 1999 und Zhao et al. 2007). Es wurde in einem Infektionsversuch eingesetzt.

Auch bei Sternschildkröten (Geochelone
platynota) konnte eine Infektion mit Ranavirus beobachet werden. Wieder zeigten die Tiere in erster Linie Mundschleimhautentzündung (Stomatitis) und Bindehautentzündung (Konjunktivitis) und in der histologischen Untersuchung intrazytoplasmatische Einschlußkörperchen (Johnson et al. 2004).

Bei einer Gruppe von Dosenschildkröten (Terrapene
carolina) wurden in der Beschreibung der Erkrankung neben der Stomatitis vor allem die zahlreichen Abszesse hervorgehoben. Hier konnten keine Einschlußkörperchen nachgewiesen werden (De Voe et al. 2004).
Bei den zuvor genannten Dosenschildkröten handelte es sich um Tiere in
Gefangenschaftshaltung. Es wurde jedoch auch eine Ranavirusinfektion bei einer wildlebenden Dosenschildkröte beobachtet (Allender et al. 2006).

In einem Infektionsversuch wurde aus den
Sternschildkröten isoliertes Ranavirus zur Infektion von Dosenschildkröten und Rotwangenschmuckschildkröten eingesetzt (Johnson et al. 2007). Die Infektion gelang bei beiden Spezies, allerdings nur durch intramuskuläre Injektion. Die orale Infektion führte zu keinen klinischen Symptomen und Virus konnte nicht aus den Organen reisoliert werden.

Eine Doppelinfektion (Koinfektion) einer
Pantherschildkröte (Geochelone pardalis) mit einem Rana und einem Herpesvirus wurde vor kurzem beschrieben (Benetka et al. 2007).

Die Literaturdurchsicht zeigt, daß von dieser Virusinfektion sowohl Land als auch wassernah lebende und im Wasser lebende Schildkröten betroffen sind, wohingegen bei einer Herpesvirusinfektion fast nur Landschildkröten betroffen sind. Infektionen bei Süßwasserschildkröten werden hier nur vereinzelt beschrieben. Das Herpesvirus bei Wasserschildkröten unterscheidet sich  wie bei den Landschildkröten handelt.

Ranavirusinfektionen werden in Deutschland selten diagnostiziert; in Detmold in den letzten 8 Jahren 3 mal. In diesem Jahr konnten jedoch bereits 4 positive Bestände von Testudo hermanni ermittelt werden. Die Infektion erfolgte über Zukauf von Tieren. Die Symptome einer Ranavirusinfektion ähneln denen einer Herpesvirusinfektion sehr. Bei beiden Infektionen kommt es schnell zu einem schwerwiegenden Krankheitsverlauf mit ausgeprägter Mundschleimhautentzündung (Stomatitis), Appetitlosigkei/ Futterverweigerung (Inappetenz) und Teilnahmslosigkeit (Apathie).

Bei der Ranavirusinfektion scheint, nach den Befunden von diesem Jahr, häufiger eine schwere Bindehautentzündung (Konjunktivitis) vorhanden zu sein, gleichzeitig besteht eine starke Blutungsneigung im Sinne einer hämorrhagischen Diathese (Blutungen in den Schleimhäuten und Organen, Blutungen unter dem Panzer).

In der pathologischen Untersuchung finden sich außer der hochgradigen Mundschleimhautentzündung (Stomatitis) und Rachenentzündung (Pharyngitis) oft nur eine Milzschwellung.

Es
können allerdings auch petechiale Blutungen (Punksförmige Blutungen) in Organen einschließlich Herz und Darmentzündungen mit teilweise hochgradigem Schleimhautödem auftreten.

Bei den
untersuchten Schildkröten konnte außerdem hochgradiger Parasitenbefall (hauptsächlich Oxyuren = Madenwürmer) festgestellt werden.

Bakterielle Sekundärinfektionen konnten bei den noch nicht zu stark zersetzten
Tieren ebenfalls nachgewiesen werden, es handelte sich jedoch jeweils um unterschiedliche Bakterien.

Viele Halter und Züchter von Landschildkröten sind mittlerweile zu einer Untersuchung von Zukaufs- oder Fundtieren auf Herpesvirusantikörper übergegangen, um ihren Bestand vor einer Infektion zu schützen.

Mit dieser Untersuchung werden jedoch ranavirusinfizierte Schildkröten nicht erkannt.

Es ist nicht bekannt ob Schildkröten die eine Ranavirusinfektion überlebt haben, wie die
Überlebende einer Herpesvirusinfektion zu latenten Trägern (Dauerauscheidern) werden.

Die Übertragung scheint, nach den Verläufen in den betroffenen Beständen,
direkt von Tier zu Tier (über die Nahrung, Wurmbefall) statt zufinden, ob auch eine Übertragung über die Luft eine Rolle spielt, ist noch unklar.

Zur Zeit kann eine Infektion über die Untersuchung eines toten Tieres (Sektion, Anzüchtung, PCR)
oder bei einem klinisch verdächtigen Tier mit Hilfe der Untersuchung eines Rachentupfers festgestellt werden (Anzüchtung, PCR). Möglicherweise lassen sich die Einschlußkörperchen auch in einem Zungenabklatsch oder einem Blutausstrich darstellen, dazu gibt es allerdings noch keine Untersuchungen.

Zumindet theoretisch sollten sich Antikörper gegen das Virus in einem
Neutralisationstest ähnlich dem der Herpesviren nachweisen lassen.

Versuche dazu werden
demnächst in Detmold durchgeführt. Dieser Test könnte dem Erkennen von Tieren dienen, die diese Infektion durchgemacht haben.

Qelle: Dr. Silvia Blahak

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Update 12. Juli 2019

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